Koalition will Strom für die Industrie billiger machen – Politik

Union und SPD haben sich am Donnerstag nicht nur auf einen Kompromiss zum Wehrdienst verständigen können. Am Abend teilten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil sowie CSU-Chef Markus Söder mit, dass man auch im Bereich der Wirtschaftspolitik Fortschritte erzielt habe. Für ihr gemeinsames Pressestatement unterbrachen die vier eine Sitzung des Koalitionsausschusses.

Merz sagte, der Regierung sei klar, in welcher schwierigen Situation die deutsche Volkswirtschaft sei. „Ein starkes Deutschland braucht eine starke Wirtschaft und sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze.“ Man wolle die Bedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschland wieder stärken. „Unsere Wirtschaft muss wieder laufen, muss besser laufen.“ Deshalb habe in der Sitzung die Wirtschaftspolitik im Vordergrund gestanden. Die Koalition will jetzt für energieintensive Unternehmen, die von den bisherigen Vergünstigungen nicht hinreichend profitieren, einen niedrigen Industriestrompreis einführen. Der Zielpreis soll bei fünf Cent je Kilowattstunde liegen und in den Jahren 2026 bis 2028 gelten.

Die Gespräche darüber mit der EU-Kommission seien „weitgehend abgeschlossen“, sagte Merz. Außerdem habe man sich im Koalitionsausschuss auf eine Strategie zum Bau neuer Gaskraftwerke geeinigt. Bereits 2026 sollen acht Gigawatt Leistung ausgeschrieben werden, die bis 2031 in Betrieb gehen sollen, sagte Merz. „Alle Signale deuten darauf hin, dass wir mit Zustimmung der EU-Kommission rechnen können.“

Der Fonds soll privates Geld für Investitionen mobilisieren

In dem Beschluss dazu heißt es, die Kraftwerksstrategie sei „zentral, um auch in einem Stromsystem mit zunehmend erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit rund um die Uhr zu gewährleisten“. Sie schaffe „insbesondere die Grundlage für den Aufbau neuer, klimafreundlicher Kraftwerkskapazitäten, die flexibel einspringen können, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend Energie liefern“.

Die Koalition habe sich auch auf die Einrichtung eines „Deutschlandfonds“ verständigt, sagte SPD-Chef und Bundesfinanzminister Klingbeil. „Wir haben den Menschen versprochen, wir treffen Entscheidungen, wir finden Lösungen, wir wollen Fortschritt statt Blockaden und genau diesen Auftrag erfüllen wir.“ Der Fonds solle als „Andockstelle für privates Kapital“ dienen, um neben den bereits auf den Weg gebrachten öffentlichen Investitionen privates Geld zu mobilisieren. „Das ist ein wichtiges Instrument, um Deutschland in ökonomischer Hinsicht zu stärken.“Zuletzt waren zehn Milliarden Euro im Gespräch, die als Anreiz für private Investitionen von 100 Milliarden Euro dienen sollten. Bei seinem Auftritt nannte Klingbeil diesbezüglich jedoch keine Zahlen. Geld aus dem Fonds soll unter anderem in den Ausbau der Energieinfrastruktur und in die Stärkung von Start-ups fließen.

„Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor extrem unter Druck“, sagte CSU-Chef Söder, „da arbeiten wir hart dagegen.“ Klares Ziel sei es, Investitionen in Deutschland zu ermöglichen und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Der vergünstigte Industriestrompreis werde insbesondere in Branchen wie Chemie, Glas, Keramik, aber auch dem Maschinenbau helfen. Söder verwies außerdem auf die Senkung der Luftverkehrsteuer, auf die man sich ebenfalls verständigt habe.

Die Abgabe, die Fliegen verteuert, soll im Sommer sinken

Die Koalition will die Steuer, die Tickets verteuert, zum 1. Juli 2026 senken. Merz sagte, dabei gehe es um etwa 350 Millionen Euro. In dem Beschluss dazu heißt es, der Luftverkehr in Deutschland sei schon „seit Jahren in einer herausfordernden Lage: Hohe Gebühren, Abgaben und Betriebskosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich.“ Die Bundesregierung werde „deshalb entschlossen gegensteuern und die Rahmenbedingungen für den Luftverkehrsstandort Deutschland deutlich verbessern“.

Man habe sich in den vergangenen Wochen sehr intensiv mit der Industrie besprochen, sagte Bas – etwa beim Auto- und beim Stahlgipfel. Und jetzt habe man Wort gehalten: „Wir zeigen, dass wir Kompromisse finden, auch wenn wir uns gelegentlich streiten.“ Fortschritt statt Blockaden habe die Koalition versprochen, sagte ihr Kollege Klingbeil. Das werde nun umgesetzt.

Nach dem gemeinsamen Auftritt vor den Journalisten wurde die Sitzung des Koalitionsausschusses fortgesetzt. Dabei sollte es dann auch um noch strittige Fragen wie die Renten-Politik und das Aus für Verbrennermotoren gehen. Dass in der Koalition nicht alles so rosig läuft, wie es die vier Vorsitzenden am Abend darstellten, zeigte sich kurz auch während ihres gemeinsamen Auftrittes. SPD-Chefin Bas verurteilte das Verhalten der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, zu der auch die Abgeordneten von CDU und CSU gehören, in der Debatte um die Lieferketten-Richtlinie.

Im Europaparlament hatte eine Mehrheit aus Christdemokraten und Rechtsaußen-Parteien für eine Lockerung dieser EU-Richtlinie gestimmt. Bas sprach von „einem fatalen Zeichen“. Entscheidungen müssten in der Mitte der demokratischen Familie gefällt werden. Für sie sei wichtig, „dass man die Zukunft Europas nicht mit rechtsextremen Kräften gestalten darf“.